Schnell und konzentriert schraubt Nick Nitsche beidhändig die Muttern auf die Schrauben, die vor ihm auf einem Brett montiert sind. Alexander Welker, Gruppenleiter im Berufsbildungsbereich (BBB), steht mit der Stoppuhr neben ihm und misst die Zeit. Mit „Stopp“ gibt Nitsche das Zeichen, dass er fertig ist und Welker hält die Zeit an. „243 Sekunden – das ist eine gute Zeit,“ erklärt Welker zufrieden. „Man hat aber auch gesehen, dass die Übung eigentlich zu leicht für ihn ist,“ ergänzt er.
Nein, Nitsche und Welker trainieren nicht für „Wetten dass…?“ – zumal es die Sendung nicht mehr gibt. Nick Nitsche hat sich bereit erklärt vorzuführen, was hamet ist. Der Handwerklich-motorische Eignungstest ist ein Diagnoseverfahren, das für Schulabgänger entwickelt wurde. Mit diesem Verfahren wurde bei den Theo-Lorch-Werkstätten im August 2017 – zunächst am Standort Bottwartal – begonnen, die beruflichen Kompetenzen der neuen Teilnehmer im Berufsbildungsbereich zu testen. Damit sollen die Stärken der betreffenden Person herausgefunden werden, so dass ein Förder-Konzept noch gezielter für jeden Einzelnen erstellt werden kann.
Natürlich haben die Theo-Lorch-Werkstätten auch bisher Diagnoseverfahren angewendet und auch zuvor wurden Förderpläne für jeden Einzelnen erstellt. Der große Pluspunkt bei hamet liegt darin, dass die Ergebnisse messbar sind und nicht ausschließlich auf der Beobachtung der Gruppenleitung basieren. Damit die Ergebnisse auch aussagekräftig sind, gibt es verschiedene Module: zum einen hamet e, das im Bereich für Menschen mit geistiger Behinderung eingesetzt wird und zum anderen hamet 2, das im Bereich für Menschen mit psychischer Behinderung angewandt wird.
Innerhalb jedes Moduls gibt es 4 Schwierigkeitsgrade von 4 = sehr einfach bis 1 = sehr schwer. Damit man die Testperson in die verschiedenen Stufen einordnen kann, gibt es vor jeder Übung eine Vor-Übung.
Die Gruppenleiter im BBB begrüßen das neue Verfahren
Bei den Theo-Lorch-Werkstätten haben 2017 alle Gruppenleiter aus den Berufsbildungsbereichen die Anwender-Schulung absolviert. Seit Januar 2018 besitzen alle Standorte die hamet-Materialien. Auch wenn so ein Testverfahren pro Testteilnehmer fast einen Arbeitstag beansprucht, sind die Gruppenleiter von dem neuen Verfahren begeistert. Mit diesem Instrument können sie entweder ihre Einschätzungen und Empfehlungen durch Zahlen untermauern oder werden vielleicht überrascht, wenn ein Teilnehmer anders abschneidet als gedacht.
Nick Nitsche ist inzwischen bei den verschiedenen Aufgaben am Computer angekommen. Der Aufbau ist immer der Gleiche: es beginnt mit einfacheren Aufgaben, so dass man sehen kann, ob der Beschäftigte in der Lage ist, eine eine Maus zu einem bestimmten Punkt zu bewegen. Nach und nach wird es komplexer: Postleitzahlen müssen zu den richtigen Orten eingegeben werden, eine Waschmaschine muss über verschiedene Knöpfe, die mit der Maus angesteuert werden, bedient werden und am Ende muss aus einem Getränkeautomat mit Mausklicks ein Getränk ausgewählt und mit passenden Münzen bezahlt werden. Die Ergebnisse des Computertests werden automatisch in die Auswertung übernommen. Bei allen anderen Aufgaben hat der Gruppenleiter eine Schablone, mit der er überprüfen kann, ob ein Fehler gemacht wurde. Zudem wird bei jeder Aufgabe die Zeit gemessen. Die Fehlerzahlen und die Zeit werden dann in das Programm übertragen.
Über 90 verschiedene Aufgaben sind zu lösen
Insgesamt gibt es über 90 verschiedene Aufgaben, die über die berufliche Basiskompetenz in 6 zuvor festgelegten Faktoren wie „Routine und Tempo,“ „Werkzeugeinsatz und Werkzeugsteuerung (einfach),“ „Wahrnehmung und Symmetrie,“ „Instruktionsverständnis und Instruktionsumsetzung, „Werkzeugeinsatz und Werkzeugsteuerung (schwieriger)“ sowie „Messgenauigkeit und Präzision“ Auskunft geben sollen. Da sind von Übungen mit dem Textmarker, über Adress-Etiketten für Postsendungen richtig aufkleben, bis zum Ausschneiden von Formen mit einem Schabloniermesser die unterschiedlichsten Aufgaben dabei. Es gibt Pflichtaufgaben und Aufgaben, die je nach Einschätzung des Gruppenleiters zusätzlich gemacht werden können. Am Ende erstellt hamet eine Auswertung darüber, wie der Prüfling einzuschätzen ist. Zum anderen ist die sogenannte Vergleichsgruppe wichtig. Es wurden Vergleichsgruppen definiert wie zum Beispiel „Erwachsene,“ „Hauptschule“ oder „Förderschüler“. Für jede Vergleichsgruppe wurde mit jeweils 1.000 Personen der Test durchgeführt und aus diesen Ergebnissen der Durchschnitt errechnet. Der Gruppenleiter wählt für jeden Probanden eine Vergleichsgruppe aus und das Programm setzt die Ergebnisse zur Vergleichsgruppe ins Verhältnis. Aus diesem Ergebnis werden die besten Fördermaßnahmen für die betreffende Person abgeleitet. Langfristig könnte aus allen, die den Test bei den Theo-Lorch-Werkstätten machen, eine eigene Vergleichsgruppe „BBB“ aufgebaut werden.
Damit die abgeleiteten Maßnahmen auch Sinn machen, wird der Beschäftigte nach dem Test noch nach seiner Selbsteinschätzung gefragt. Wie er die Aufga-ben empfunden hat und welchen Berufswunsch er hat. Nick Nitsche weiß genau, wo er in Zukunft arbeiten möchte: „Im Lager.“ Versandpapiere erstellen, Waren kommissionieren und Gabelstapler fahren – das wäre genau seins. Die Tester-gebnisse sprechen eindeutig dafür, dass er mit diesem Berufswunsch auf dem richtigen Weg ist. Im Berufsbildungsbereich wird Alexander Welker gemeinsam mit ihm die richtigen Schulungen und Maßnahmen aussuchen, damit dieser Wunsch langfristig auch Realität wird. Zum Beispiel die Gabelstapler-Führerschein-Prüfung.