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Interview – Teil 2

Björn Pehnert hat bei den Theo-Lorch-Werkstätten ein zweiwöchiges Praktikum gemacht. Genau wie Abel Tesfamaryam und Alamin Kalifa aus Eritrea. Und doch könnten die Welten, aus denen sie kommen, nicht unterschiedlicher sein. Björn Pehnert arbeitet seit fünf Jahren bei der Porsche Engineering Services GmbH als Ingenieur für Thermomanagement.

Pehnert nimmt gerade an einem Führungskräfte-Nachwuchs-Programm teil. Dazu gehört auch ein zweiwöchiges Praktikum in einer sozialen Einrichtung. Bei welcher Einrichtung konnte er sich selbst aussuchen und er hat sich für die Theo-Lorch-Werkstätten entschieden. Das Interview wurde bei der gleichen Gelegenheit geführt, wie das mit Abel Tesfamaryam und Alamin Kalifa [s.a. "Interview – Teil 1"].

Red.: Herr Pehnert, warum haben Sie sich für eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung entschieden?
Björn Pehnert [BP]: Als ich sechs Jahre alt war hatte ein Onkel von mir einen Schlaganfall. Er ist dann aber leider sehr bald gestorben. Seither hatte ich nie mehr Kontakt zu Menschen mit Behinderung. Diese Lücke wollte ich abbauen. Wollte sehen, wie geht man mit Menschen um, die sich vielleicht nicht äußern können. Ich wollte einfach persönliche Erfahrungen sammeln, um ein besseres Verständnis zu bekommen.
Red.: Ihre zwei Wochen bei den Theo-Lorch-Werkstätten sind jetzt fast um. Morgen noch und dann ist das Praktikum zu Ende. Was nehmen Sie für sich mit?
BP: Zum einen nehme ich für mich mit, ein besseres Verständnis für das große Spektrum bekommen zu haben. Man kann jetzt sehr gut differenzieren. Wie geht man auf den einen zu, wen lässt man vielleicht auch während seiner Arbeit mal in Ruhe oder wer braucht mehr Nähe. Wen kann man fördern. Die Quintessenz ist das Thema Motivation für mich gewesen. Motivation in unterschiedlichster Art und Weise in unterschiedlichen Bereichen. Ich habe alle Bereiche kennen gelernt. Ich habe hier gelernt, dass Motivation ganz unterschiedlich sein muss. Im Förder- und Betreuungsbereich muss anders motiviert werden als hier in der Gruppe 135 [eine Gruppe aus dem Arbeitsbereich, Anm. d. Red.]
Red.: Das ist dann wie als Führungskraft. Da muss man seine Mitarbeiter auch motivieren. Vielleicht auch für Arbeiten, die sie jetzt nicht so gerne machen wollen?
BP: Ja genau. Aber hier wurde mir das noch einmal so richtig deutlich. Ich hab das so ein bisschen verglichen – [lacht] na klar, womit auch sonst – mit Autofahren: Beim Autofahren gibt es die Möglichkeit, auf nasser Fahrbahn mit niedrigem Gripniveau [das bedeutet, das Auto fängt sehr schnell an zu schlittern, Anm. d. Red.] zu fahren. Wie auf Eis. Da kommt man dann schnell in Grenzbereiche und lernt das Auto kennen. Und hier ist das irgendwie analog. Zumindest ich sehe hier eine starke Analogie: Die Menschen kommen hier sichtbarer an ihre Grenzen als im normalen Arbeitsalltag, wo jeder eher versucht das zu unterdrücken und man kriegt relativ schwer mit, ist der jetzt überlastet? Man kriegt es erst mit, wenn es zu spät ist. Hier [bei den Theo-Lorch-Werkstätten, Anm. d. Red.] bekommt man es schon relativ früh mit. Jemand sagt plötzlich nichts mehr oder stagniert im Arbeiten. Da kann man relativ früh eingreifen. Das war für mich noch einmal ein Wachrüttler, wie wichtig es doch ist, frühzeitig – egal wer es ist – darauf einzugehen.
Red.: Würden Sie so ein Sozial-Praktikum anderen Leuten auch empfehlen? 
BP: Definitiv. Ja. Vor allem in den Berufen wo das hinsichtlich der sozialen Sensibilität eine eher untergeordnete Rolle spielt. Gerade im Ingenieurbereich, in der Industrie, vielleicht auch im handwerklichen Bereich. Da würde es viel helfen, ein Gefühl für die soziale Sensibilität aufzubauen. In vielen Firmen muss man als Maschine funktionieren, der Faktor Mensch ist nicht so wichtig. Das ist meistens nicht böswillig, sondern weil einfach das Verständnis dafür fehlt. So ein zweiwöchiger Zivildienst alle fünf oder zehn Jahre würde jedem mal guttun.
Red.: Das heißt, Sie würden das auch für sich selbst noch einmal wieder machen? Um wieder Kontakt zu bekommen, sozusagen um aufzufrischen?
BP: Ja genau. Einfach auch um zu sehen, wie sich das verändert.

Das Gespräch driftet ein wenig ab in Richtung "wie finanziert sich eine Werkstatt?" und zum Thema Ausgleichsabgabe [Alle Firmen, die mehr als 20 Mitarbeitende haben, müssen mindestens 5 % Menschen mit Behinderung beschäftigen. Erfüllen die Firmen das nicht, müssen sie eine Ausgleichsabgabe bezahlen. Die Ausgleichsabgabe wird wiederum dazu verwendet, die Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu finanzieren.] 


Abschließend stellt Björn Pehnert fest: "Wenn mehr Personalverantwortliche ein Praktikum in Werkstätten machen würden, dann wäre auch die Hemmschwelle niedriger, Menschen mit Behinderung einzustellen."


Ein schönes Schlusswort. Dann ist es auch schon wieder Zeit, sich auf den Weg zurück in die Werkstatt zu machen. Aber wer weiß. Vielleicht macht Abel Tesfamaryam irgendwann eine Ausbildung bei Porsche Engineering. Oder die Theo-Lorch-Werkstätten haben Arbeitsplätze dort. Oder Porsche verlegt eine Abteilung in die Theo-Lorch-Werkstätten – dann schließt sich der Kreis wieder. Denn Inklusion muss nicht nur heißen, die Menschen mit Behinderung gehen aus den Werkstätten hinaus. Inklusion kann auch heißen, die Menschen ohne Behinderung kommen in die Werkstätten hinein. Wichtig ist schließlich nicht wer wo arbeitet, sondern dass zusammen gearbeitet wird.

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