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Aktuell

30 Jahre Reha-Werkstatt - ganz inoffiziell

Miteinander(s) leben – 30 Jahre Reha-Werkstatt – unter diesem Motto haben Menschen mit psychischen Erkrankungen am Tag der offenen Tür der Theo-Lorch-Werkstätten am Standort Reha-Werkstatt, Besuchern ihren Arbeitsalltag erklärt. Ein Erfahrungsbericht.

"Möchten Sie an einem unserer Arbeitsangebote teilnehmen?" wurde ich gleich am Eingang freundlich begrüßt. Zuerst habe ich ebenso freundlich abgelehnt, ich muss ja Fotos machen. Aber dann fiel mir ein, dass Stefan Wörn unser 'Hausfotograf' unterwegs war und da der so tolle Bilder macht, ich doch einfach mal was anderes machen könnte, als Kaffee trinken und Zeitung lesen. Was man halt sonst so der Öffentlichkeitsarbeit immer unterstellt. Also habe ich mir von der Dame und dem Herrn am Empfang erst einmal das Prinzip erklären lassen, wie es funktioniert. "Da gibt es Karten. Auf jeder ist ein Arbeitsgebiet aufgeführt. Dort gehen Sie dann hin. Immer wo Sie das Signet '30 Jahre Reha-Werkstatt' auf grünem Grund sehen, ist eine Mitarbeit-Station."

Alles klar. Und los geht es. Aber vielleicht doch erst einmal ein artverwandtes Arbeitsgebiet aussuchen, nicht dass ich gleich unangenehm auffalle, weil ich die Maschinen kaputt  mache oder so. Also entscheide ich mich für die Mit-Arbeit im Verwaltungsbereich. Hier teilen sich vier Beschäftigte die Aufgabe, mich in ihre Arbeitswelt einzuführen. Es geht noch recht locker los. "Bitte kommen Sie mit. Ihre erste Aufgabe ist Papier im Drucker nachzufüllen. Dazu drücken Sie bitte hier drauf und dann legen Sie den Stapel Papier in das Fach" erklärt mir der erste Kollege, was zu tun ist. Okay, das bekomme ich hin, das muss ich ja oft genug machen, wenn ich den Infobrief ausdrucke. Trotzdem wird meine Arbeit aufmerksam überprüft, aber am Lächeln meines Gegenübers erkenne ich, dass er zufrieden mit mir ist. Dann kommt auch schon Aufgabe zwei: Kopieren. Auch das geht schnell über die Bühne, da das ja ebenso beim Infobrief anfällt. Weiter geht es zu Aufgabe drei. Hier erklärt mir die nächste Beschäftigte, dass ich nun Hauspost verteilen müsse. Etwa 15 Umschläge mit unterschiedlichen Empfängern warten darauf, zugestellt zu werden. Hier muss ich jetzt erst einmal suchen, wo ist welches Fach. "Mit der Zeit bekommt man Übung darin und weiß wo wer ist," werde ich getröstet, als ich einen Empfänger nicht finde, obwohl ich direkt davor stehe. Mit viel Unterstützung landet dann doch jedes Kuvert da, wo es hin soll. Letzte Station im Verwaltungsbereich: Etiketten drucken. Sorgfältig erklärt mir die vierte Kollegin, wie das Programm zu bedienen ist und wozu die Etiketten gebraucht werden: Für die verpackte Ware im Arbeitsbereich, damit der Kunde auch weiß, was drin ist. Und schon ist es passiert: der Etikettendrucker druckt nicht richtig. Im ersten Moment wollte ich sagen "ich war es nicht." Da aber meine Anleiterin genauso unaufgeregt wie fachmännisch die Maschine öffnet, alles richtig einstellt und dann die Etiketten sauber ausdruckt, lehne ich mich entspannt zurück und schaue einfach zu, wenn ein Profi am Werk ist. Damit bin ich auch schon fertig in der Verwaltung.
Jetzt habe ich Blut geleckt und möchte weiter machen. Dieses Mal entscheide ich mich für die Produktion. Ich ziehe einfach irgendeine Karte "Regelprüfung mit Prüfprogramm" steht darauf. Hmm, keine Ahnung was das sein soll. Bekomme ich aber bald - und zwar ausführlich. Damit ich mich nicht verlaufe, bringt mich eine der netten Damen, die den ganzen Tag Gäste an den gewünschten Ort bringen, auch zu meinem Bestimmungsort. Dort nimmt mich ein Beschäftigter in Empfang. Wie bei der Verwaltungsarbeit werde ich in das notwendige Computerprogramm eingeführt. Geduldig erklärt mir der Kollege die einzelnen Geräte und ihre Funktion. Teilweise sind sie direkt mit dem Computer verbunden, so dass die Messergebnisse gleich eingelesen werden. Aber zunächst geht es an den elektrischen Höhenmesser. Mit diesem Gerät werden Winkel und Abstände gemessen. Für jede einzelne Messung gibt es einen Toleranzbereich in dem der Wert liegen darf. Alles was außerhalb des Toleranzbereiches liegt, ist ein mangelhaftes Teil. "Diese Maschine ist nicht mit dem Computer verbunden, daher drucke ich die einzelnen Ergebnisse aus und nehme sie nachher mit hinüber an meinen Computer, damit ich sie dort eingeben kann", erklärt mir mein Begleiter. "Jetzt mache ich auch noch eine Sichtprüfung. Eigentlich kommt die im Programm erst später dran, aber dann muss ich nicht noch einmal extra hier rüber laufen, deshalb mache ich sie gleich", fährt er fort. Effizientes Arbeiten nennt man das. 'Sichtprüfung', lerne ich, wird nicht mit elektronischen Messgeräten gemacht, sondern man "überprüft mit den Augen, ob das Teil in Ordnung ist." Es ist in Ordnung, so wie bisher alle Messergebnisse innerhalb der Toleranz waren. Jetzt geht es zurück an den Computer und die Ergebnisse der Messung werden sorgfältig übertragen. Dann kommen weitere Messungen, die direkt in den Computer gehen. Und weitere Sichtprüfungen. Ganz schön viel, was da zu beachten ist. "Wie lange dauert denn so eine Prüfung?" will ich wissen. "Ungefähr 10 Minuten." Aha, offensichtlich hat mein Kollege für mich extra langsam gemacht, damit ich alles mitbekomme. Im echten Arbeitsbetrieb läuft das wohl schneller ab. 
Jetzt raucht mir ganz schön der Kopf. Also mal an die frische Luft, schauen, was dort passiert. Da ist eine Gruppe gerade beim Bewegen. Ich geb' zu, da habe ich mich rausgehalten und mich mal wieder auf meine eigentliche Arbeit konzentriert und ein paar Bilder gemacht.
Weiter geht es mit der 'spanenden Produktion.' Auf der Karte hat sich der Fehlerteufel eingeschlichen und es steht 'spannende Produktion' da. Aber irgendwie stimmt das auch. Es ist spannend und es macht Spaß. Saumäßig, ich darf nämlich an eine der Maschinen. Mit einem 'Rumms' - ausgelöst durch mich, indem ich auf zwei Knöpfe drücke - werden drei Metallteile zusammengepresst. Das darf ich natürlich auch erst machen, nachdem der zuständige Experte mich eingewiesen hat, wie ich die verschiedenen Teile einlegen muss, damit es auch passt. Er zeigt mir dann auch, wie das fertige Teil aussieht. Es ist eine sogenannte Hebelzwinge. Also eine Schraubzwinge, die man aber nicht mehr von Hand festschrauben muss, sondern die über einen Hebel die Kraft auf so etwas ähnliches wie ein Zahnrad überträgt und dadurch die Zwinge zuzieht. Spannend - sag ich doch. 
Was sich auch zuzieht ist mein Zeitfenster, ganz ohne Hebelzwinge. Ich muss um 12:30 Uhr in der Hohenzollernstraße beim offiziellen Teil der Veranstaltung sein. Dabei gibt es noch so viele andere Angebote. Schnell im Speisesaal vorbei und die [natürlich alkoholfreie, aber sehr leckere] Begrüßungsbowle trinken. Dabei treffe ich auf bekannte Gesichter. Eine Gruppe aus dem Förder- und Betreuungsbereich des Standorts Bietigheim hat sich aufgemacht, mal die Reha-Werkstatt zu besuchen. Spontan nehmen wir alle an einer Führung durch das Lager teil. Auch das ist interessant. Wie wird ein Auftrag gepackt, damit den Leuten im Arbeitsbereich das Geschäft nicht ausgeht? Wie wird sichergestellt, dass jede Gruppe auch 'ihr' Material erhält? All das erfahren wir. Und noch viel mehr.
Jetzt muss ich mich aber wirklich beeilen, ich hab doch versprochen, noch bei der Tamponprintmaschine vorbeizuschauen. Wieder darf ich mich selbst an die Maschine setzen und bunte Kreise auf ein kleines Holzteil drucken, das für Kinderspielzeug verwendet wird. Nebenher bekomme ich erklärt, dass das Klebeband, das an jeder Maschine bereit liegt, dazu dient, die Stempelfläche regelmäßig zu säubern. Damit werden überschüssige Farbreste entfernt. Aha, wieder was Neues gelernt. Leider ist meine Zeit jetzt endgültig um. Dabei hätte es noch so viele andere Sachen zum Ausprobieren gegeben. Ich hätte noch in der Hauswirtschaft bei der Essensvorbereitung mithelfen können. Oder noch mehr lernen beim Training für Sozialkompetenzen. Oder noch mehr Produktionsbereiche kennenlernen können, oder, oder, oder… Eindeutig, die Zeit war zu kurz. Aber es hat auf jeden Fall Spaß gemacht und ich habe viele neue Dinge erfahren. Vor allem dank all der netten Beschäftigten, die mir bereitwillig ihre Arbeit erklärt haben und für mich auch ihren Arbeitsplatz geräumt haben.

Eine Beschwerde habe ich aber doch: der 'Hausfotograf' hat mal wieder nur Bilder von mir gemacht, auf denen ich gerade irgendwo ein kleines Päuschen mache oder mit den Leuten rede. Das ist genauso, wenn die Leute immer bei mir vorbei schauen, während ich gerade die Tagespresse sichte: Sieht aus, als ob ich nichts schaff‘! Dabei ist meine Arbeit doch so viel abwechslungsreicher als nur Zeitung lesen. Genau wie die Arbeit meiner Kollegen in der Reha-Werkstatt auch. Wie ich jetzt aus eigener Erfahrung weiß.

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