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Aktuell

"Da ist mein Herzblut drin"

Interview zum Abschied von Geschäftsführer Dietrich Vonhoff

Red.: Herr Vonhoff, können Sie sich noch daran erinnern, wie ging es Ihnen an Ihrem ersten Arbeitstag bei den Theo-Lorch-Werkstätten?
DVO: Ah, der war natürlich spannend, auch mit einer gewissen Aufregung verbunden. Aber was ich in Erinnerung habe: es war sehr schön. Herr Scheible, mein Vorgänger, hat mich mit einem Blumenstrauß begrüßt. Das Büro war gerichtet. Ich konnte also gleich mein Büro beziehen und habe mich gleich angenommen gefühlt.
Red: Sie kamen von der Paulinenpflege aus Backnang zu den Theo-Lorch-Werkstätten. War das eine sehr große Umstellung?
DVO: Ja das war eine große Umstellung. Ich bin hier in eine andere Welt gekommen.
Red.: Inwiefern?
DVO: Hier war viel geregelt, geordnet, es gab Regelungen für ziemlich viele Sachen. Das war ich in der Paulinenpflege nicht gewohnt. Ich habe es gerne, wenn etwas geregelt ist. Ich habe mich dann gefreut, dass ich das hier vorgefunden habe.
Red.: Das heißt, Sie konnten im Prinzip sofort loslegen mit dem Arbeiten.
DVO: Ja, das Gute war ja, mir war immer klar, wenn ich wechsle, dann nur in eine andere WfbM [Werkstatt für Menschen mit Behinderung, Anm. d. Red.]. Ich war dreißig Jahre in der Paulinenpflege. Das ist mein großes Thema: Arbeit für Menschen mit Behinderung. Dass ich dann bei den Theo-Lorch-Werkstätten das gleiche Geschäft machen durfte, aber hier eine ganz andere Kultur, auch ein anderes Netzwerk im Landkreis Ludwigsburg kennen lernen durfte, war schon noch einmal eine Bereicherung in meinem Arbeitsleben.

Red.: Wenn Sie jetzt auf die knapp zwölf Jahre zurückblicken, wo sagen Sie, das ist mir besonders gut gelungen, da haben wir etwas bewegt?
DVO: Ich weiß nicht, ob ich sagen kann, das ist mir gelungen, es ist doch eine Sache, die man zusammen mit den Mitarbeitern macht. Auf jeden Fall habe ich wahrgenommen, dass das Umfeld im Landkreis Ludwigsburg den Theo-Lorch-Werkstätten eher mit Vorbehalt begegnet ist. Und es war unser Ziel, die Theo-Lorch-Werkstätten zu öffnen. Das, was hier angeboten wird, was hier gemacht wird, in der Öffentlichkeit darzustellen. Und ich denke, da hat sich in der öffentlichen Wahrnehmung etwas geändert. Es war auch so ein Wandel. Theo-Lorch-Werkstätten war eher ein abgeschlossenes System. Es gab zwar viele Aufträge, aber nur im Montage- und Verpackungsbereich. Darum war der Auftrag vom Gesellschafter, das Arbeitsangebot auszudehnen. Die Theo-Lorch-Werkstätten zu öffnen, Übergänge in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu gestalten. Ich denke auf dem Weg haben wir schon ganz konkret etwas erreicht, wir haben die Malerwerkstatt und die Gartenwerkstatt. In der Hauswirtschaft entsteht gerade etwas, wo wir raus gehen aus den Werkstätten. Nicht zu vergessen die Außengruppen. Das ist eine tolle Sache, wie wir da mit unseren Beschäftigten in der Arbeitswelt integriert sind. Da hat sich etwas zum Guten verändert.
Red: Gibt es auch etwas, wo Sie sagen, das würde ich heute vielleicht anders machen?
DVO: Hmm, ich muss ganz ehrlich sagen, da fällt mir spontan jetzt nichts ein. Wissen Sie, das ist so: Werkstatt für Menschen mit Behinderung da sind Vorgaben und Rahmenbedingungen, in denen man agieren muss. Man hat da nicht so gravierende Spielräume, dass man sagen könnte, ich mache jetzt alles anders. Ich habe einen Auftrag vom Gesellschafter „wir wollen die Theo-Lorch-Werkstätten nach vorne bringen und auch in der Öffentlichkeit darstellen.“ Und daran haben wir halt alle zusammen gearbeitet.
RED.: Was glauben Sie, wo die Theo-Lorch-Werkstätten in fünf oder zehn Jahren stehen werden?
DVO: Die Aufgabe ist ja berufliche Teilhabe und berufliche Bildung. Hier wird die Entwicklung weitergehen, dass wir kontinuierlich noch mehr Arbeitsplätze in die Arbeitswelt auslagern. Nicht mehr so stark Arbeit anbieten in den Werkstätten, sondern mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Entwicklung „Teilhabe für alle“ wird weitergehen.
Red: Teilhabe für alle heißt aber im Prinzip, die Werkstatt wird nicht ganz verschwinden.
DVO: Nein. Das ist ja der Begriff „Teilhabe für alle.“ Also die Theo-Lorch-Werkstätten werden auch in Zukunft wirklich für alle Menschen da sein. Jedem, egal was er leisten kann, Tagesstruktur oder Teilhabe anbieten. Das halte ich auch für eine wichtige Sache, das Thema für alle. Da gibt es keinen Ausschluss, dass jemand nicht dazu gehört.
Red.: Wie haben Sie den Wandel empfunden? Die Landschaft der Werkstätten hat sich in den letzten zwanzig Jahren ja schon sehr stark geändert. Mehr als die ersten zehn Jahre, in den sechziger Jahren, als es mit den Werkstätten erst losging.
DVO: Ich habe in meinem beruflichen Leben natürlich eine Riesenstrecke miterleben dürfen. Das fing schon an mit der Gründung der Werkstätten. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie die umgesetzt wurden, das habe ich ja alles miterlebt. Das war schon eine tolle Sache. Wir hatten so ein bisschen eine Gründermentalität. Da ging es wirklich darum anzupacken, Ärmel hochkrempeln und was zu machen. Das war die Aufbauphase. Dann in den neunziger Jahren kam die Phase – das fing eigentlich schon 1989 an mit dem Mauerfall – da kam in der Automobilindustrie der Lopez-Effekt. Bei den Aufträgen war es auf einmal nicht mehr jedes Jahr ein Plus, sondern sinkende Preise mit höheren Anforderungen. Da haben sich die Werkstätten stark als Zulieferer, als Partner der Industrie platziert in den Neunziger Jahren und auch Anfang der 2000er Jahre. Heute ist mehr der Wandel dahin, zu schauen, was hat der Einzelne für Möglichkeiten, für Fähigkeiten. Und wie kann man damit eine gute Integration hinbekommen. Mehr der Blick, was braucht der Einzelne, was können wir ihm anbieten, dass es auch für ihn gut wird mit der Teilhabe am Arbeitsleben. Ganz wichtig sind da auch die Bildungsangebote. Das ist auch eine tolle Sache, was wir da im ‚ABL-Berufliche Bildung‘ anbieten. „Empowerment“ zum Beispiel – dass unsere Beschäftigten lernen können und gestärkt werden, ihre Interessen selbst zu vertreten. Was für mich auch noch sehr wichtig war in den letzten Jahren, was ich auch vorher schon begleitet habe, das ist die Arbeit der Werkstatträte. Dass Menschen mit Behinderung gehört werden. Dass wir als Werkstatt aber auch dafür sorgen, dass sie in Lage sind, ihre Rechte zu vertreten. Das halte ich auch für eine wichtige Entwicklung in den letzten 10 Jahren.
Red.: Gab es Werkstatträte nicht schon immer?
DVO: Werkstatträte gibt es schon länger. Die Theo-Lorch-Werkstätten waren da auch schon sehr früh unterwegs. In der Umsetzung, in der täglichen Praxis das ins Leben zu bringen, da ist aber erst in den letzten 10 Jahren sehr viel geschehen. Die gesetzliche Änderung in der Werkstättenmitwirkungsverordnung kam im Jahr 2000. Ab da musste man ernst machen.
Red: Also war es davor mehr so eine freiwillige Geschichte?
DVO: Ja. Aber der Prozess, der mit dieser Werkstättenmitwirkungsverordnung losgetreten wurde – und der geht auch noch weiter – das war schon eine gute Sache, die zum Wandel beigetragen hat. Die, die es betrifft, können an der Gestaltung ihres Arbeitsplatzes mitwirken. Sind aktiv dabei.
Red.: Also nicht übereinander, sondern miteinander reden?
DVO: Genau. Das tut uns als Werkstatt ja auch gut, wenn wir uns gegenseitig zuhören, wo der Schuh drückt.

Red: Kleiner Ausblick: was wird Ihnen am meisten fehlen, wenn Sie im Ruhestand sind?
DVO: Menschen! Die Beziehungen, die Kontakte.
Red.: Worauf freuen Sie sich am meisten?
DVO: Es wird etwas abfallen. Wenn man in so einer Position ist – man kann es nicht beschönigen – man hat Druck. Das ist einfach so und das gehört auch dazu. Man hat Verantwortung, der will man ja auch gerecht werden. Da wird schon was abfallen. Da freue ich mich auch darauf. Dass ich dann ein Stück weit Herr über meine Zeit bin. Das ist das Schönste, worauf ich mich freue: Zeit für meine Familie und die Enkelkinder.
Red: Da haben Sie dann ja viele Möglichkeiten [Dietrich Vonhoff wurde in den letzten 5 Jahren sechs Mal Großvater, Anm. d. Red.]
DVO: [lacht] Aber ich brauch mich dann nicht mehr einspannen lassen, dass man so durchgetaktet ist. Aber auch das muss ich erst lernen. Ich habe ja jetzt erst einmal ein Jahr Zeit, mich daran zu gewöhnen. Dann geht meine Frau in die Ruhephase. Auf jeden Fall will ich viel Sport machen.
Red: Das heißt wir werden Sie auch weiterhin als Teammitglied beim Bottwartal Marathon auf der 10km-Walking-Strecke sehen?
DVO: Könnte durchaus sein. Mein Ziel ist ja beim Silvesterlauf in Backnang beim 10km-Lauf mitzumachen. Das sage ich jetzt ganz bewusst öffentlich. [lacht] Vielleicht kann ich doch nicht ganz ohne Druck leben.
Red: Eine letzte Frage noch: gibt es irgendetwas, das Sie Ihrem Nachfolger gerne mitgeben würden?
DVO: Die Theo-Lorch-Werkstätten sind ein gut aufgestelltes Unternehmen mit motivierten und engagierten Mitarbeitenden. Da wird wirklich – das kann ich in voller Überzeugung sagen – gute Arbeit geleistet. Das was in den Gruppen oder der Verwaltung geleistet wird, das ist toll. Was ich allen sagen möchte: nicht jammern auf hohem Niveau, sondern einfach anpacken. Es gibt Möglichkeiten, die Arbeit weiter zu entwickeln, nach vorne zu bringen. Miteinander sprechen, nach Lösungen suchen: wie können wir es gut und besser hinbekommen. Ich sehe da noch Potenzial. Man kann immer etwas finden, das nicht so optimal ist. Vielleicht sollte man eher darauf achten, was vorhanden ist und wie man das Vorhandene gut weiter entwickeln kann. Das wäre so mein Wunsch. Das werde ich dann auch aus der Ferne beobachten.
Red: Sie können ja den Infobrief abonnieren.
DVO: Das werde ich auf jeden Fall. Ich bin daheim in der Behindertenhilfe, das war mein Berufsleben. Aber die Theo-Lorch-Werkstätten, die sind mir ans Herz gewachsen. Da ist mein Herzblut drin. Darum ist es mir nicht egal, wie es weiter geht mit den Theo-Lorch-Werkstätten. Aber es geht weiter und es wird anders weitergehen und das ist auch gut so.
Red: Aber trotzdem mit ein bisschen Wehmut?
DVO: Ja klar, das ist immer ein Loslass-Prozess.

Dietrich Vonhoff geht zum 30. September 2017 in den Ruhestand. Sein Nachfolger wird Stefan Wegner.
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