Spanabhebende Fertigung bedeutet Metallverarbeitung, bei der von einem Metallrohling etwas abgeschnitten, an ihm gedreht oder hineingefräst wird. Zur Bearbeitung des Metalls werden CNC-Maschinen eingesetzt, die je nach Auftrag programmiert werden können. Nun waren die CNC-Maschinen der Theo-Lorch-Werkstätten einerseits in die Jahre gekommen und die Instandhaltungskosten für diese Maschinen sind sehr hoch. Andererseits gab es das Dilemma, dass die Kunden entweder nur sehr kleine Stückzahlen beauftragt haben, dann rechnet sich der Einsatz der teuren Maschinen nicht oder die Stückzahlen wären so groß gewesen, dass sie nur im Drei-Schicht-Betrieb machbar gewesen wären, was in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung nicht leistbar ist. Die mittleren Aufträge, wie es sie vielleicht vor 10 Jahren noch gegeben hat, die gibt es in Deutschland nicht mehr, die wurden überwiegend ins EU-Ausland verlagert. Darum war es an der Zeit, neue Wege zu gehen, denn im Vordergrund steht immer, attraktive Arbeitsangebote für Menschen mit Behinderung anzubieten.
So kam es, dass Ende Februar am Standort Ludwigsburg 2 CNC-Maschinen sowie eine Ablängmaschine und Anfang März am Standort Reha-Werkstatt 3 CNC-Maschinen abgebaut wurden. Das hört sich einfach an, ist es aber nicht: eine CNC-Maschine hat eine Grundfläche von 3 x 4 Metern. Das sind 12 Quadratmeter – so viel Fläche hat manches Kinderzimmer nicht. Auch in der Höhe sind die Maschinen nicht ohne. Mit Schutzabdeckung kommen sie auf ungefähr 3 Meter Höhe. Darum war passgenaue Arbeit gefragt. „Als Arbeitssicherheitsverantwortlicher war ich froh, dass der Abbau freitags nach der Arbeit gemacht wurde“, zeigt sich Joachim Böhmler, Fertigungsleiter am Standort Ludwigsburg, heute noch erleichtert über den Abbau ohne Zwischenfall.
Viel Platz und neue Arbeitsgebiete gewonnen
Durch den Abtransport der Maschinen wurde sowohl in der Reha-Werkstatt als auch in Ludwigsburg viel Platz frei. An beiden Standorten wird das genutzt für eine Neukonzeption. In Ludwigsburg wird es etwas kleiner ausfallen, da wird ‚nur‘ der Gruppenraum umgestaltet, während in der Reha-Werkstatt der gesamte Arbeitsbereich unter die Lupe genommen werden soll. Am Ende steht aber für beide Maßnahmen das Wohl der Menschen, die dort arbeiten, an oberster Stelle. Deswegen berichten wir erst dann über die neuen Konzepte, wenn sie auch wirklich feststehen.
Heute steht aber bereits eines fest: die Beschäftigten und die Gruppenleiter der bisherigen Maschinengruppen sind nicht arbeitslos geworden, weil es keine spanabhebende Fertigung mehr gibt. In Ludwigsburg wurden Arbeiten für Norgren aus der Gruppe 235 in die 234 verlagert. Da es sich um sehr ähnliche Teile handelt, war die Verwechslungsgefahr immer gegeben. Durch die Verteilung der Arbeit auf zwei Gruppen, fällt diese Verwechslungsgefahr weg und somit ist auch die Qualitätssicherung verbessert.
In der Reha-Werkstatt gibt es mit der Firma schmid alutec aus Remshalden einen neuen Kunden. „Wir freuen uns, dass wir einen gleichwertigen Ersatz gefunden haben und die Beschäftigten haben die neue Tätigkeit auch sehr positiv aufgenommen, berichtet der Fertigungsleiter der Reha-Werkstatt, Ralf Gröchtemeier, über das neue Arbeitsangebot: Auf eine Lagerplatte werden kleine und große Ringe eingepresst. Im zweiten Arbeitsschritt werden Schrauben eingedreht und zum Schluss noch ein QR-Code darauf ‚genadelt‘. Schmid alutec liefert die Platten an ZF in Friedrichshafen und da werden sie in Porsche-Getriebeteile eingebaut.
Bietigheim ist bereits einen Schritt weiter
Was Ludwigsburg und die Reha-Werkstatt erst begonnen haben, das hat der Standort Bietigheim bereits hinter sich: Nach und nach wurde erst die CNC-Drehmaschine, dann die CNC-Sägemaschine und zum Schluss die CNC-Bear-beitungsmaschine verkauft. Inzwischen ist der Raum umgestaltet. Auf der frei gewordenen Fläche wurden Verpackungs- und Montageinseln installiert. Dort können die Beschäftigten der Gruppe 136 die neuen Tätigkeiten ausüben. Es gibt also genügend Ersatz für die weggefallenen Tätigkeiten und bei den Beschäf-tigten kommen die neuen Arbeitsgebiete gut an. „Dadurch, dass die Maschinen nach und nach abgebaut wurden, konnten sich alle langsam daran gewöhnen und die Umstellung war nicht so groß“, ist sich Gruppenleiter Peter Amato sicher. Auch für ihn und seinen Kollegen Ralf Rottländer gibt es positive Seiten der Umstellung: „die Umrüstung der Maschinen war immer zeitaufwendig. Jetzt bleibt mehr Zeit, sich um die Beschäftigten zu kümmern. Das ist natürlich toll.“
Daran kann man sehen, dass eine Veränderung immer auch eine Chance ist. In der Reha-Werkstatt und in Ludwigsburg werden in einem Jahr Beschäftigte und Gruppenleiter bestimmt auch dieser Meinung sein. Dann können sie Hermann Hesse vielleicht zustimmen, dass in jedem Anfang ein Zauber innewohnt. Auch bei der Arbeit.